Ethik-Forum „Mensch und Tier“ lud zum Zuschauen, zum Nachdenken und Mitmachen ein

Wie würden wohl Tiere über den Menschen urteilen, wenn er vor ihrem Gericht stünde? Fänden wir Menschen überzeugende Rechtfertigungsgründe für unser Verhalten so vielen Tieren gegenüber? Was ist überhaupt los mit uns Menschen: Manche Tiere können wir leiden, andere lassen wir leiden. Braucht es immer billigeres Fleisch? Braucht es noch Tierversuche? Was leisten Alternativen dazu, etwa Multi-Organ-Chips?

Mit Fragen wie diesen haben sich die Schülerinnen und Schüler des P-Seminars Tierethik und der Wahlkurse Tierschutz Unterstufe beschäftigt. Zusammen mit ihren Kursleiterinnen U. Deavin-Spindler und S. Hader-Popp sowie Eric W.F. Seuberth, stud.phil., luden sie alle Interessierten zu einem Ethik-Forum am Abend des 30. Januar 2020 in die Aula ein. Vorbereitet war ein vielseitiges Programm, das die „Mensch-Tier-Beziehung“ aus verschiedenen Perspektiven beleuchtete.

Im Theaterstück „Der Mensch vor dem Gericht der Tiere“ (von Helen Gori, stark bearbeitet u.a. von den Wahlkursteilnehmer/innen der 6. Klassen) findet sich „der Mensch“ in einer Gerichtsverhandlung wieder, in der 26 unterschiedliche Tiere ihn damit konfrontieren, was er an „untierischen Quälereien“ ihnen angetan hat. Hält sich „der Mensch“ anfangs trotzig noch für „nicht schuldig“, muss er nach und nach erkennen, wie sehr er – wie es in der Anklage des Staatsanwalts „Fuchs“ dann heißt – „die Tiere missachtet, über sie bestimmt, sich ihnen gegenüber aufführt, als sei er der alleinige Herrscher der Erde, sie ausbeutet, quält und manchmal sogar ausrottet“. Nur weil im Plädoyer des Verteidigers deutlich auf die Bemühungen mancher Menschen, Tiere zu respektieren und zu schützen, hingewiesen wird, entgeht er dem Urteil „lebenslänglicher Freiheitsentzug“ in der Art, wie er viele Tiere zu seinem Nutzen in Ställen hält. Das Urteil des Richters verpflichtet den Menschen zu einem grundlegenden Umdenken in seiner Haltung gegenüber den Tieren und gipfelt in der Forderung: „Wir Tiere erhalten auch Rechte (nicht nur die Menschen): das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auf so viel Freiheit, wie wir jeweils zu einem guten Leben brauchen.“ Was das konkret bedeutet, wurde dann auch präzisiert und bot den zahlreichen Zuschauern viel Stoff zum Nachdenken.

Der Impulsvortrag „Sind Menschen moralisch wertvoller als Tiere?“ von Eric W. F. Seuberth griff das Kernthema des Theaterstücks auf inhaltlich hohem Niveau und zugleich sehr anschaulich und anregend auf (www.youtube.com/watch?v=SYoO2A9wyJA). Menschen verhalten sich Tieren gegenüber äußerst ambivalent: Viele fühlen sich für ihre „Haus“tiere unmittelbar verantwortlich, manche bestaunen vom Aussterben bedrohten Tiere der Wildnis, aber für sehr viele Menschen fällt eine große Gruppe Tiere völlig aus dem Radius der eigenen Verantwortlichkeit heraus und wird als „Nutztiere“ zur beliebig verfügbaren Ware degradiert. Für diese verhängnisvolle Einteilung von Lebewesen, die sich von ihrem Entwicklungsniveau her sehr ähnlich sind (z.B. einem Hund einerseits und einem Schwein andererseits), in die Gruppe „Die kann ich leiden“ im Fall Hund und in die Kategorie „Die lass ich leiden“ im Fall Schwein gibt es psychologische Erklärungen (Stichwort „Karnismus“). Eine schlüssige Rechtfertigung dafür, Tiere so vollständig aus der moralischen Gemeinschaft auszuschließen, dass ‚Mensch‘ mit ihnen im Grunde verfahren kann, wie er will, ist – so zeigte der Referent – nicht überzeugend möglich. Ganz im Gegenteil ist aus Sicht eines tierethischen Tierschutzes zwingend zu folgern, dass Tiere um ihrer selbst willen moralisch zählen.

Im Anschluss an den Plenumsteil konnten die Zuschauer auf einem bunten „Marktplatz“ fünfzehn verschiedene „Stationen“ besuchen: An einer informierte Margrit Vollertsen-Diewerge von ‚Ärzte gegen Tierversuche Arbeitsgruppe Erlangen‘ über den „Multi-Organ-Chip als Tierversuchs-Alternative“. Das P-Seminar „Tierethik hatte seinen interaktiven Mitmachstand „Tierversuchsfreie Kosmetik“ aufgebaut. Die Wahlkursteilnehmer/innen der 5. Klassen hatten unter der kundigen Leitung von Frau Gabriele Fueßl eine Fülle wunderschöner Schmuckstücke, Memories, Karten und anderer kleiner Kunstwerke gebastelt und boten sie an einer ansprechend dekorierten Station zugunsten des Tierheims Oberndorf zum Verkauf. Die Posterpräsentationen der Wahlkursteilnehmer/innen der 7. Klassen informierten Interessierte z.B. zu Fragen wie „Warum kennt fast niemand ein Schwein persönlich?“ oder „Haben Delfine in Zoos wirklich Spaß, wenn sie „lächeln“?“ Spontan hatten zwei Schülerinnen ein Rezeptbüchlein für tierleidfreie Speisen zusammengestellt, illustriert und binden lassen, das reißenden Absatz fand (zugunsten des Tierheims). Verschiedene pflanzliche Leckereien konnte man im Schülercafé gleich kosten, während man sich an weiteren Stelltafeln über Fleischproduktion und Klima informierte, ein Tieraugenrätsel löste oder die eindrucksvollen Fotos der Ausstellung Gesichter-Gefühle-Gedanken auf sich wirken ließ.

Die große positive Resonanz auf das Ethik-Forum bestätigte uns darin, dass die „Mensch-Tier-Beziehung“ langsam Einzug in das gesellschaftliche Moralbewusstsein hält. Zudem scheint dieses Veranstaltungsformat, das philosophisch-/ethische Themen auf vielfältige methodische Art aufgreift, bei Schüler/innen und Eltern sehr gut anzukommen.

Sigrid Hader-Popp, Ulrike Deavin-Spindler, Eric W.F.Seuberth

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